Beitragsbild zur Einzel-Assessment für Manager

Persönliche Standortbestimmung für Manager

Wie ein psychologisches Einzel-Assessment die eigene Position stärkt

Einleitung: Warum Selbstreflexion in der Managementpraxis unverzichtbar ist

Manager agieren in einem komplexen Spannungsfeld aus strategischen Zielen, teamdynamischen Herausforderungen und persönlichen Ambitionen. In einem Umfeld, das durch volatile Märkte, globale Teams und sich rasch wandelnde Technologien geprägt ist, reicht reines Fachwissen längst nicht mehr aus. Studien der Leadership-Forschung zeigen: Selbstreflexion und emotionale Intelligenz sind entscheidende Erfolgsfaktoren (Goleman, 1998; Zenger & Folkman, 2002). Doch während Manager regelmäßig Budgets, Projekte oder Mitarbeiterleistungen evaluieren, geraten sie selbst oft aus dem Fokus.

Ein psychologisches Einzel-Assessment bietet hier eine strukturierte Lösung. Als freiwilliges, vertrauliches Verfahren geht es über klassische 360-Grad-Feedbacks hinaus, indem es tiefere Einblicke in Persönlichkeitsstruktur, Motivation und unbewusste Verhaltensmuster liefert. Der vorliegende Artikel zeigt, wie Manager mithilfe solcher Assessments ihre Standortbestimmung professionalisieren können – und warum dies kein Zeichen von Schwäche, sondern strategische Weitsicht ist.

Was ist ein psychologisches Einzel-Assessment?

Ein psychologisches Einzel-Assessment ist ein entwicklungsorientiertes Verfahren, das Manager dabei unterstützt, ihre persönlichen Stärken, Entwicklungspotenziale und blinden Flecken zu identifizieren. Im Gegensatz zu Assessment Centern, die oft der Personalauswahl dienen, steht hier die Selbstreflexion im Vordergrund.

Symbolisch für Selbstreflexion: Ein Mensch betrachtet sich im Spiegel.

Typische der Selbstreflexion Elemente sind:

  1. Psychologische Tests:
    • Persönlichkeitsinventare (z. B. Big Five, BIP, CPI)
    • Kognitive Fähigkeitstests (logisches Denken, Problemlösung)
    • Emotionale Intelligenz-Assessments (MSCEIT, EQ-i)
  2. Strukturierte Interviews:
    • Verhaltensbasierte Interviews zu vergangenen Situationen (STAR-Methode; Sarges‘ BEI)
    • Motivations- und Werteanalysen
  3. 360-Grad-Feedback:
    • Systematische Einbindung von Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten
  4. Fallsimulationen:
    • Rollenspiele oder Fallstudien zur Erfassung von Entscheidungsmustern
Strukturierte Interviews

Die Ergebnisse werden in einem individuellen Feedback-Gespräch zusammengeführt, das Entwicklungspfade aufzeigt. Wichtig: Die Teilnahme ist freiwillig und dient nicht der Leistungsbeurteilung, sondern der persönlichen Weiterentwicklung.

Symbolische Darstellung eines 360 Grad Feedback
360 Grad Feedback als Teil der Selbstreflexion

Die Vorteile für Manager: Warum ein Assessment lohnenswert ist

Abbildung zu den Vorteilen eines Assessments

1. Objektives Feedback jenseits des blinden Flecks

Jeder Mensch hat kognitive Verzerrungen – Manager stellen da keine Ausnahme dar. Ein psychologisches Assessment kombiniert Selbsteinschätzung mit Fremdwahrnehmung und objektiven Testdaten, um ein realistisches Bild zu zeichnen.

Studie: Führungskräfte überschätzen laut Dunning et al. (2003) ihre eigenen Führungsfähigkeiten im Schnitt um 15–20 %.


Praxis-Beispiel:
Ein Manager, der sich selbst als „entscheidungsfreudig“ einstuft, erkennt im Assessment, dass sein Team ihn als „überhastet“ wahrnimmt. Die psychologische Analyse deckt auf, dass hohe Zeitdruck-Toleranz mit mangelndem Einholen von Expertenmeinungen kollidiert.

2. Entwicklungspotenziale systematisch identifizieren

Während Performance-Reviews oft auf vergangene Leistungen fokussieren, zielt das Assessment auf zukunftsorientierte Entwicklung. So zeigte eine Meta-Analyse von Smither et al. (2005), dass 360-Grad-Feedback ohne psychologische Tiefenanalysen nur begrenzte Verhaltensänderungen bewirkt. Erst die Kombination mit Kompetenzmodellen und Persönlichkeitsprofilen schafft eine Basis für maßgeschneiderte Entwicklungspläne.

Wissenschaftlicher Bezug:

  • Kompetenzmodelle (Spencer & Spencer, 1993) helfen, kritische Managementfähigkeiten (z. B. Change-Management, Konfliktlösung) zu definieren.
  • Motivationsanalysen (Self-Determination Theory; Deci & Ryan, 2000) zeigen, ob Manager intrinsisch (z. B. Lernmöglichkeiten) oder extrinsisch (z. B. Gehalt) getrieben sind – entscheidend für langfristige Zufriedenheit.

3. Passung zwischen Persönlichkeit und Rolle überprüfen

Nicht jeder Management-Typ ist für jede Position geeignet. Ein Assessment kann klären, ob ein Manager eher in strategischen, operativen oder mitarbeiterorientierten Rollen aufblüht.

Beispiel:

  • Ein „Kreativ-Typ“ (nach Belbin-Teamrollen) im Controlling fühlt sich unterfordert, während er im Innovationsmanagement seine Stärken entfalten kann.
  • Hirnforschung (Rock, 2008) untermauert: Passende Rollen reduzieren Stress und steigern die kognitive Leistungsfähigkeit.

4. Stressresilienz und Work-Life-Balance stärken

Manager sind Burn-out-Risiken besonders ausgesetzt (Maslach et al., 2001). Ein Assessment deckt individuelle Stressmuster auf – etwa die Tendenz, übermäßig zu arbeiten („Workaholismus“) oder Konflikte zu internalisieren.

Tool-Beispiel:

  • Stressbewältigungsfragebogen (SVF 120; Erdmann & Janke, 2008)
  • Resilienzskalen (RS-25; Wagnild & Young, 1993)

5. Karriereplanung evidenzbasiert gestalten

Viele Manager treffen Karriereschritte auf Basis von Bauchgefühl. Ein Assessment liefert empirische Daten zur Eignung für höhere Positionen. So zeigte eine Studie von Finkelstein & Hambrick (1996), dass Manager mit hoher kognitiver Flexibilität (gemessen via psychometrischer Tests) in dynamischen Branchen 30 % erfolgreicher sind.


Der Prozess: So läuft ein Assessment ab

Phase 1: Vorbereitung

  • Zielklärung: Gemeinsam mit dem Berater werden Erwartungen definiert (z. B. „Ich will meine Führungskompetenz verbessern“).
  • Datenerhebung:
    • Vorbefragung: Aktuelle Herausforderungen, Selbstwahrnehmung.
    • Fremdwahrnehmung: 360-Grad-Feedback von 5–10 Kollegen/Mitarbeitern (anonymisiert).

Phase 2: Das Assessment

  • Testtag: 4–6 Stunden mit:
    • Psychometrische Tests:
      • Big Five (NEO-PI-R; Costa & McCrae, 1992 oder BIP) zur Erfassung von Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit.
      • California Personality Inventory (CPI) erstellt ein berufsbezogenes Persönlichkeitsprofil.
    • Fallsimulationen:
      • Rollenspiel: Konfliktlösung mit einem „schwierigen Mitarbeiter“ (Videoanalyse).
      • Präsentation: Vorstellung einer Strategieskizze unter Zeitdruck.
    • Interview:
      • Critical Incident Technique (Flanagan, 1954): Vertiefung in 3–5 Schlüsselerlebnisse der Karriere.

Phase 3: Feedback und Handlungsplan

  • Individuelles Debriefing: 2–3 Stunden mit einem zertifizierten Psychologen, z.B. einem/einer md-Beraterin oder Berater.
    • Visualisierung: Grafische Darstellung von Stärken/Schwächen (z. B. Spider-Diagramm).
    • Entwicklungsprioritäten:
      • SMART-Ziele (Specific, Measurable, Achievable, Relevant, Time-bound).
      • Beispiel: „Erhöhung der aktiven Zuhörzeit in Meetings von 20 % auf 50 % innerhalb von 6 Monaten“ (gemessen via Feedback).
    • Ressourcen: Coaching, Trainings, Mentoring.

Häufige Bedenken: „Muss ich das wirklich machen?“

1. „Ich habe keine Zeit dafür.“

Gegenargument:

ROI-Nachweis: Manager, die in Selbstentwicklung investieren, steigern ihre Teamleistung um bis zu 25 % (Corporate Leadership Council, 2012)

  • Zeitmanagement-Tipp: Assessment-Termine als „strategische Pause“ planen – vergleichbar mit einem Check-up beim Arzt.

2. „Was, wenn die Ergebnisse schlecht sind?“

Gegenargument:

  • Psychologische Sicherheit (Edmondson, 1999): Offenheit für Feedback korreliert mit Innovationsfähigkeit.
  • Anonymität: Daten werden vertraulich behandelt; der Manager kontrolliert, wer die Ergebnisse erhält.

3. „Assessments sind doch nur für Karrieresprung?“

Gegenargument:

  • Life-Long Learning: Auch Top-Manager nutzen Assessments, um „auf dem Laufenden“ zu bleiben.
  • Beispiel: Satya Nadella (Microsoft) fördert ein „Growth Mindset“ – auch für sich selbst.

Fallbeispiel: Vom „Macher“ zum „entwicklungsorientierten Leader“

Ausgangslage:

  • Person: Manager A (45), Leiter eines 50-köpfigen Vertriebsteams
  • Selbstwahrnehmung: „Ich treibe den Umsatz – das Team ist happy“
  • Problem: Hohe Fluktuation im Team, aber keine klaren Gründe

Assessment-Ergebnisse:

  • Persönlichkeit: Hohe Extraversion (Big Five) – liebt Kundenkontakt. Hohe Werte in „Durchsetzungsvermögen“, niedrige in „Empathie“
  • 360-Grad-Feedback: Kollegen loben seine Kundenbeziehung, Mitarbeiter fühlen sich „nicht gehört“
  • Fallsimulation: Ignorierte in der Rollenspiel-Situation die Bedenken eines Teammitglieds

Entwicklungsschritte:

  1. Training: Aktives Zuhören, Feedback-Kultur etablieren
  2. Coaching: Wöchentliche 1:1-Sessions mit Fokus auf Mitarbeiterentwicklung
  3. Struktur: Einführung von Teamrunden, wo Mitarbeiter Vorschläge einbringen

Messbare Erfolge nach 6 Monaten:

  • Fluktuation sank um 30 %
  • Team-Engagement (gemessen via Gallup Q12) stieg um 20 %

Fazit: Standortbestimmung als strategische Investition

Ein psychologisches Einzel-Assessment ist mehr als ein „Check-up“ – es ist ein strategisches Tool, um als Manager handlungsfähig zu bleiben. In einer Welt, in der weiche Faktoren wie Führungskompetenz und Resilienz über den Erfolg entscheiden, lohnt sich die Investition in die eigene Entwicklung.


Ihr nächster Schritt

Sind Sie bereit für Ihre persönliche Standortbestimmung? Ein psychologisches Assessment kann der Schlüssel zu Ihrem nächsten Entwicklungssprung sein.

💭 Reflexionsfrage:
„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“
(Philip Rosenthal)

Wann haben Sie zuletzt bewusst an Ihrer Führungskompetenz gearbeitet?


Quellen:

  • Goleman, D. (1998). What Makes a Leader? Harvard Business Review.
  • Smither, J. W. et al. (2005). Can Working with an Executive Coach Improve Multisource Feedback Ratings? Personnel Psychology.
  • Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The „What“ and „Why“ of Goal Pursuits. Psychological Inquiry.
  • Corporate Leadership Council (2012). Driving Performance and Retention Through Employee Engagement.

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